Von frivol bis feucht-fröhlich: Saarbrücken feiert Steel Panther und Alestorm

Eine Fahrt nach Saarbrücken lohnt sich für Fans der lauten Klänge fast immer und da ist der Open Air Konzertsommer 2019 keine Ausnahme. Auf einem großen Freiluftareal vor dem Congresszentrum in Saarbrücken wurde nun eine Reihe namhafter Künstler gefunden und ein abwechslungsreiches Programm auf die Beine gestellt, das für jedermann etwas zu bieten hat. So gibt es junge (Ben Zucker) und betagtere Stars (Nena und Jethro Tull), aber eben auch ein viel versprechendes Line Up für Freunde der harten Gangart, bestehend aus Limp Bizkit und Steel Panther, die am 11.07. mit Alestorm, die Konzertreihe eröffnen.

Schon beim Betreten des Geländes wird klar: Steel Panther Fans unterscheiden sich immer ein wenig von der typischen Metallermasse. Keine Frage, auch klassisches Metalpublikum gibt es hier, aber der Glam und das Augenzwinkern, ohne welches man die Show der “ungekrönten Könige des Hollywood Glam-Metals” nur schwer ertragen könnte, sticht deutlich hervor.

Zunächst startet aber die Sleaze Metal-Band Santa Cruz in den schwül-warmen Donnerstagabend. Die vier Finnen, die namensgerecht direkt aus LA kommen könnten, entern die Bühne vor der Congresshalle, um das noch übersichtliche Publikum mächtig aufheizen. Hoch recken sich bald schon die ersten Teufelshörner in den bedeckten Himmel. Druckvoll und voller Energie eifern die jungen Skandinavier ihren Idolen nach und strafen das Klischee lügen, dass Finnland nur düstere Blackmetal Bands hervorbringt. Dynamische Gitarrenwechsel, schreiende Riffs und blondierte Locken liefern einen Vorgeschmack auf die Hauptband, deren Fans bereits die ersten Reihen belagern. Derweil tummeln sich auf dem Vorplatz weitere illustre Gestalten im Outfit der schillernden 80er Jahre, die geschmückt mit Bandanas sowie Metal-Kutten im Takt mit den Köpfen Wippen.

Alestorm machen im Anschluss ohne Umschweife ihrem Namen alle Ehre. Ein überlebensgroßes Quietscheentchen, ein chillendes Krokodil auf dem Banner und jede Menge Instrumente, welche direkt aus Bikini Bottom stammen könnten, bilden den Grundstock der Truppe. Die Qualitäten dieser Truppe sind wie viele Puzzleteile, die ein simples aber gut abgestimmtes Gesamtbild erzeugen: Der Waynes-World-meets-Weird-Al Yankowic-Sänger, der folkige, aber bisweilen brachiale “True Scottish Pirate Metal”, die schunkeligen Keyboardsounds, die spontan-einstudierten Choreografien und das allgemein von Fans und Band gleichermaßen geliebte Hauptthema “We are here to drink your beer” sorgen schnell für Partylaune. Geräusche wie auf der Kerwe erfüllen den Vorplatz des Saarbrückener Congresszentrums, als die selbsternannten Piraten die Bühne entern. Der Keyboarder leert zum Einstieg lässig ein Bier, während die bierkutschenschunkelige Spassmetalcombo ihre mitgebrachte Fanbase in Bewegung setzt. Nach dem zweiten Song ist dann plötzlich alles auf null, denn die Technik versagt bzw. bleibt ohne Strom. Das hindert die Fans aber nicht daran die Songs laut weiterzugrölen. Läuft also … drei Minuten später ist die sichtlich erleichterte Band wieder am Netz und ballert den nächsten Song raus.

Aber noch etwas kommt in Wallung. Denn zeitgleich ziehen auch schwere Wolken über das Gelände. Doch selbst der anfangs leichte Regen kann die ausgelassene Atmosphäre nicht trüben. Zum Cover von “Hangover” erscheint ein mit Hai-Kopf maskierter Rapper. Mit ihm öffnet der Himmel aber auch seine Schleusen, so dass die Show wegen des Platzregens um 19:28 Uhr unterbrochen wird. Der Veranstalter bittet die Besucher, im Foyer der Congresshalle trockenen Schutz zu suchen und ihre Bierdruckbetankung kurz zu unterbrechen. Dort angekommen schallte den herbeieilenden Fans ein kollektives “Einst ging ich am Rande der Donau entlang” entgegen. Um 19:41 Uhr ist der Regen weitergezogen und Alestorm machen mit “Mexico” dort weiter, wo sie vor wenigen Minuten aufgehört haben. Schließlich ist Zeit für “Captain Morgan‘s Revenge”, die nun wieder etwas freundlichere Wolken mit sich bringt. Die frenetisch gefeierten Hymne “Drink” läutet den finalen Teil ein und lässt fast alle getreu dem Bandmotto mitsingen sowie tanzen. Als letzter Geniestreich verabschieden die fünf Jungs die aufgeweichte Menge mit einem freundlichen “Fucked with an Anchor” und machen die Bühne frei für Steel Panther.

Dann heißt es Showtime für Lexxi Fox, Satchel, Stix Zadinia und Michael Starr. Und wie Stars werden diese empfangen. Mit “Eyes of a Panther” und “Goin’ in the Backdoor” steigen die Kalifornier mit leichter Verspätung in ihr Set ein und holen die Fans gleich in dem Zustand ab, in welchem sie sich trotz Regennässe befinden: high und ready to rock! Die energetische und stets explizit vulgäre Bühnenshow reißt alle mit, auch wenn (oder gerade weil) wir wissen, dass Steel Panther nicht nur “Music” sondern auch “Girls” lieben, und dies ausgiebig transportiert wird. Die Deutschkenntnisse der Band sind – zumindest im Wortfeld Sex- und Fäkalsprache – gut ausgeprägt, die Aussprache flüssig und der Einfallsreichtum nahezu grenzenlos. Zahlreiche Intermezzi zum Thema “Wait, ich habe einen Ständer” oder “Muschilecken” machen eine Steel Panther Show eben nicht nur zu einem Musik- sondern auch zu einem Comedy-Event. Vor allem Gitarrist Satchel schwadroniert zwischen den Songs über den “kleinen Schwanz unseres Sängers”, suhlt sich in Eigenlob oder macht sich über die männlichen Fans lustig, die ihre bessere Hälfte auf ein Steel Panther Konzert mitnehmen. Sänger Michael Starr mischt kräftig mit und im Laufe des Sets werden noch weitere derbe Scherze platziert, z.B. wird sich über Musikerkollegen wie DEF LEPPARD oder über Ozzy Osborne lustig gemacht, indem Starr zum Cover von Black Sabbaths “Crazy Train” eine grandiose Ozzy Inkarnation hinlegt.

Das hört sich fies an, ist es auch, aber die vier Musiker und Schauspieler kennen ihre Rollen gut und machen sich in erster Linie über sich selbst lustig. Ständig machen sich Satchel und Lexxy den Bühnenraum streitig oder zettelt Starr einen fingierten Streit mit dem Roadie am Bühnenrand an. Der einzige Fokus bleibt das Thema Sex! Als sich ein Fan per Crowdsurfing im Ganzkörperpenisregenschutz zur Bühne tragen lässt, sieht sich die Band “spontan” genötigt, die neue und erstmals live gespielte Single “All I wanna do is fuck (myself tonight)” zu präsentieren, in der es um (na, wer weiß es?) Sex und Selbstliebe geht. Es bleibt das einzige neue Material an diesem Abend, der dazugehörige Longplayer soll am 23. September 2019 erscheinen.

Die Jungs wollen aber natürlich auch den Wohlfühlfaktor der Damen im Publikum erhöhen, also laden sie kurzerhand Joanne auf die Bühne ein, die zur Ballade “Girl from Oklahoma” von Michael Starr umgarnt wird. Und um niemanden zu benachteiligen werden bei “17 Girls in a Row” und “Gold Digging Whore” schließlich alle tanzwütigen und geltungsbedürftigen Damen auf die Bühne geholt, wo dann schließlich auch noch das präsentiert wird, wonach alle (not)geilen Fans und Musiker verlangen: Tits! Wir hoffen bei diesem Anblick insgeheim, dass alle Anwesenden im Publikum und auf der Bühne das Augenzwinkern der Band verstanden haben. Als alle Damen wieder die Bühne verlassen und sämtliche Selfies erledigt worden sind, widmen sich die Steel Panther endlich wieder ihrem Handwerk. Mit den grandiosen Gassenhauern “Death to All but Metal” und “Gloryhole” beschließen die Jungs den kurzweiligen Abend.

Steel Panther lassen sich feiern, doch bei all der Selbstbeweihräucherung und dem unterhaltsamen Klamauk sollte man nicht außer Acht lassen, dass die vier Vollblutmusiker eine musikalisch perfekte und virtuos-präzise Leistung abliefern, indem sie ein totgeglaubtes Genre nicht einfach kopieren, sondern diesem mit einer ganz eigenen Note neues Leben einhauchen. They are one of a kind, und genau mit diesem Eindruck verlassen wir lächelnd das Opening Konzert dieses Open Air Konzertsommers und wissen, dass alle, die nicht da waren, eine großartige Rockshow verpasst haben.

Fotos von Andreas Schieler

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