Sabaton auf Siegeszug in Frankfurter Festhalle

Ein skandinavisches Metal-Package der Extraklasse fegt derzeit durch die Hallen Europas. Eine Welttournee, die alles in den Schatten stellt, was Sabaton bisher auf die Beine gestellt hat, wurde uns von Joakim “You gotta have a tank on stage” Brodén versprochen, als wir ihn kurz vor dem Release ihrer neusten Platte, dem Konzeptalbum “The Great War”, zum Gespräch baten. An diesem Freitag, den 31.01.2020, wird Frankfurt am Main von Sabatonfans geflutet, die in die ausverkaufte Festhalle strömen, um auf der Great Tour das 20-jährige Bestehen der schwedischen Powemetalgötter zu feiern.

Seit ihrer Gründung 1999 ging es für die umtriebigen Geschichtsenthusiasten nur bergauf und die laufende Tournee bricht alle Rekorde, ausverkaufte Venues, sensationelle Verkaufszahlen (u.a. Platz 1 der deutschen Albumcharts für THE GREAT WAR) und eine überaus treue ihnen ergebene Fanschar tragen die Band in immer höhere Gefilde. Dabei geht es in den Songs in erster Linie um historische (Militär-)Geschichte, alles andere als täglicher Gesprächsstoff, gerade für ein junges Publikum. Neben der Musik betreiben die Jungs einen eigenen History-Channel, der gerade auf YouTube viele Follower findet. Dessen Beliebtheit, rege Social Media Aktivität auf Tour und die ausgesprochene Nähe zu den Fans beweisen, dass diese Band trotz ihrer Faszination für die Vergangenheit bestens ins 21. Jahrhundert passt. Daher sind wir gespannt auf den Abend, denn ein hochkarätiges skandinavisches Line-Up ist geladen, Amaranthe aus Schweden und die legendären Apocalyptica aus Finnland sind dabei und liefern mehr als nur das Aufwärmprogramm, aber dazu später.

Vor einem gigantischen roten Banner beginnt die schwedische Metalcoreband Amaranthe ihr opulentes Set. Noch wird der Schall weit durch die sich stetig füllende Halle getragen. Die sechsköpfige Truppe hat mit ihrem eingängigen Mix aus harmonischem Frauengesang und gutturalem Geschrei bereits einige Anhänger ins vordere Drittel der Halle gelockt, um für Stimmung sorgen. Auch wenn die beiden Sänger sich fauchend über die brachialen Riffs und die Synthiepassagen erheben, bleibt Sängerin Elize, die sich in bester Popsternchenmanier auf der Bühne räkelt, visueller und auditiver Mittelpunkt der Show. Die melodischen Refrains stechen heraus, obwohl oder gerade weil sie mit dem Death/Powermetal Sound brechen und dennoch verschmelzen. Den Leuten gefällt es und der Abend gerät in Schwung, denn in der Economy-Class versuchen die Leute bereits einen Platz mit ordentlicher Sicht auf das Spektakel zu ergattern. In der Front of Stage Area vor der Bühne geht es da etwas entspannter zu, doch auch hier wird dem Auftritt des Headliners gespannt entgegengefiebert.

Mit beinahe avangardistischen, an den Film Noir erinnernde Sequenzen beginnen Apocalyptika. Programmatisch sehen wir Kamerafahrten durch die apokalyptischen Ruinen einer Großstadt, bevor sie unter Jubel die Bühne betreten. Die drei Vollblutmusiker setzen seit Beginn ihrer Karriere auf das Cellospiel, bei genauerem Hinhören ist die Instrumentalisierung der Songs jedoch erstaunlich metaltypisch. Bass, Lead- und Rhythm-Guitar werden mit den Cellos fantastisch umgesetzt, ein fettes Drumset ist die einzig gewohnte Besetzung. Das dynamische Spiel der Ausnahmeband wird nach kurzem Zögern demnach auch begeistert aufgenommen. 

Zusammen mit surrealen Projektionen aus Rauchschwaden und Flammen, Slo-Mo Clips und prägnanter Lightshow gelingt eine atmosphärische Instrumentalmetalshow. Lediglich die getragenen, unverzierten Leadmelodien eines Cellos verraten die Einflüsse klassischer Musik, die bei gut gespieltem Metal ohnehin eine tragende Rolle spielt. Dazu moshen und rocken die vier Finnen, als gäbe es kein Morgen. Im Mittelteil ihrer Show werden sie von der eleganten Amaranthe Sängerin in sexy Abendrobe unterstützt, um den Bogen beim Speedmetalklassiker “Seek and Destroy” in schwindelerregender Geschwindigkeit zu schwingen und die Metallermassen trotz Instrumentalversion zum Mitsingen zu verleiten. Bei “The Mountain King” erscheint eine giftgrüne Bergsiluette. Überhaupt spielen Farben eine große Rolle und eine gewisse Weltuntergangsstimmung ist durchgängig vorhanden. Das Publikum ist dennoch wachsam, denn sobald die ersten Töne von “Ode An Die Freude” angespielt werden, singen sie mit, weitere Klassikmelodien werden eingestreut und gehen dann wieder in Metal über.

Metallicas Hit “Nothing Else Matters” verleiht das Cello eine melancholische Leichtigkeit, die ihm fast noch besser steht als die Schwermut des Orginals. Gerade zum Schluss variiert Drummer Mikko mit einer Mischung aus Drumpad und Drumset, während die Streicher sich zu wahnsinniger Geschwindigkeit steigern. Das Publikum ist begeistert und Apocalyptica werden unter tosendem Applaus entlassen. Wir sind mehr als gespannt auf die Kolaboration mit den Headlinern. Die Ungeduld liegt förmlich in der Luft als die Bühne für Sabaton hinter einem gigantischen Vorhang präpariert wird. Pünktlich wie zum Schlachtbeginn fällt der Vorhang und mit Explosionen und dem fulminanten “Ghost Division” eröffnen Sabaton das Feuer.

Auf das gloriose “Great War” folgt das düstere “The Attack of the Dead Men” über den Schrecken der chemischen Kriegsführung. Ein gesprochener Einspieler, welcher den Fans von der Historic Version des Albums THE GREAT WAR bekannt sein wird, dient als Intro. Das Quintett kommt mit Gasmasken zurück auf die Bühne, allen voran Brodén. In in voller Montur mit aufgeschnalltem Gastank und einer Gasmaske mit eingebautem Mikro schreitet Joakim über die Bühne – beängstigend und beeindruckend.

Es wird schnell klar wie aufwändig und professionell die neue Show gestaltet ist. Die gigantische Bühnenkulisse mit authentischen Schützengräben aus Sandsäcken und stacheldrahtgespickten Außenposten und detailgetreue Geschütze, sowie der versprochene Panzer, der das Schlagzeug erhebt, sind nur der sichtbare Aufwand, der betrieben wurde. Aus Pfosten, Pfeilern und Kanonen schießen ständig Flammen, um das Kriegsgeschehen zu simulieren. Alles ist getaktet und die Musiker müssen neben ihrem präzisen Spiel auch aufpassen sich nicht zu verletzen (wie wir später erfahren hat sich Gitarrist Chris Rörland bei der Show seine Hand verbrannt). Geschickt werden Liveübertragungen der Musiker in die Projektionen eingearbeitet, die aus Original-Kriegsaufnahmen und eigens zusammengestelltem animiertem Videomaterial bestehen.

Die Stimmung ist fantastisch, jedes Lied endet unter tosendem Applaus. “Noch ein Bier”-Chöre holen einen feixenden Joakim auf die Bühne und er freut sich sichtlich, als hunderte Fans ihm zuprosten. Seine Warnung, dass Skandinavier dazu neigen sich auszuziehen, wenn sie betrunken sind, lässt die Menge nicht verstummen. Man genießt und trinkt!

Ganz dem Tournamen gerecht folgen weitere Songs des großartigen neuen Albums, aber auch Klassiker der letzten Jahre, wie “The Lost Battalion” und “The Last Stand”. Letztere drosseln das Tempo etwas: Während auf den Projektionswänden Schrapnelle in Slo-Mo durch Städteruinen mit kämpfedem Soldaten fliegen, prangt in der Mitte ein Raubvogel mit Patronengurt und Sabaton-Schriftzug.  Martialische Glorifizerung oder kritische Inszenierung liegen bei Sabaton manchmal erschreckend nah beieinander, wie man dies für sich einordnet muss jeder selbst entscheiden. Die Faszination für den Mensch und seine Abgründe war aber seit jeher Teil der Metal-Community und Sabaton macht da keine Ausnahme. Es wäre aber zu einfach, die Schweden nur auf Kriegsgetöse zu reduzieren, denn ihr Umgang mit der Geschichte ist keineswegs unkritisch, wie uns Joakim Brodén uns im Gespräch verdeutlichen konnte. Ein gutes Beispiel ist das Lied “The Red Baron”, der Todesengel und gefeierter Kriegsheld zugleich war, und der auf der Bühne satirisch überzeichnet auf einer Hammondorgel in Form eines roten Doppeldeckers spielt. 

Joakim ist bestens gelaunt, dirigiert und hat das Publikum fest im Griff. Das epische 82 On The Way bringt die Show wieder ins Rollen. Nach einem großen Knall erscheinen Apocalyptica hinter dem Schützengraben und die neue Single “Angels Calling” erklingt . Es ist eine gelungene Mischung aus dem Sound beider Bands und mit seiner überraschenden arabisch klingenden Bridge eine Bereicherung für Sabatons Sound. Es folgt ein kleines 6-Song-Set mit Unterstützung der Finnen und gerade “Fields of Verdun” wird durch die zusätzlichen Instrumente noch fetter und hymnischer. Als Zugabe folgen noch Klassiker wie “Primo Victoria”, das neuere “Bismarck” und “To Hell and Back”. Die Menge tobt und Sabaton gehen als die absoluten Sieger aus der Schlacht hervor. Ein epischer Abend, der wohl keine Wünsche offen ließ. Die Schweden sind in der Form ihres Lebens und sind im Rockstarolymp angekommen. Bleibt die Frage, wie das noch zu toppen sein wird. Aber das ist eine andere Geschichte.

Das könnte dich auch interessieren …