The HU und Heilung lassen die Erde in Mannheim beben

The HU und Heilung lassen die Erde in Mannheim beben

Wer nicht von den Mongolen abgeholt wurde, den haben die zeremoniellen Rituale von Heilung mitgerissen. Nur die Toten konnten sprichwörtlich am Sonntag in Mannheim die Füße stillhalten. Ein Zeltfestival, das es in sich hat.

Ich gebe es mal wieder zu. Geplagt von meinen Vorurteilen hatte ich so meine eigene Vorstellung davon, was mich auf einem Zeltfestival Rhein-Neckar erwartet. Eine Mischung aus Oktoberfestzelt und Jahrmarkt, bei dem ein paar namhafte Bands auftreten, um Besucher anzulocken. Vielmehr kann das nicht sein.
Nun. Was soll ich sagen. Ich sollte nicht alles glauben, was ich denke. Und genau aus diesem Grund schreiben wir diese Konzertberichte. Die Realität überrascht und übertrifft zuweilen die Erwartungen enorm. So auch das Zeltfestival.

Bei meinem Eintreffen hat die Supportband bereits ihren Job erledigt. Etwa ein- bis zweihundert schwarz gekleidete Leute stehen vor einem großen Zelt, das an ein überdimensionales Zirkuszelt erinnert. In der Luft liegt eine feine Mischung aus Pommes, Gras, Burger und Bier. Freundliche und teilweise geschminkte Gesichter schauen mich neugierig an. Weit und breit kein aggressives und lautes Oktoberfest gebalzte. Die Klientel passt (Gott sei Dank) schon mal.

Als ich das große Zelt schließlich betrete, war mir nicht bewusst, dass es die schmale Stirnseite des rechteckigen Grundrisses ist. Der Wow-Effekt ist enorm, wenn auf einmal gefühlt mehrere Tausend Metalheads vor einem auftauchen, wo man bestenfalls weitere 500 erwartet hat. Das Zelt ist gewaltig und die Luft von freudiger Erwartungshaltung geschwängert. Ein Blick auf die Uhr, es ist 19 Uhr. In 15 Minuten startet The HU. Zeit also sich vor, an den Graben zu arbeiten. Keinen Moment zu spät. Die Security lässt die Fotografen bereits ein.

Pünktlich um 19:15 Uhr beginnt The HU ihre Show. Die tiefen Stimmen und die basslastigen Instrumente lassen mein Zwerchfell beben. Der Sound ist umwerfend. Noch ein Punkt, den ich dem Veranstalter zusprechen muss. Wer glaubt, in einem Zelt bekommt er nur popelige Beschallung, der wird hier eines Besseren belehrt.

Die Mannen von The HU hüllen sich zwar in Dunkelheit, aber überhören kann man sie nicht. Ich bin bereits vor Jahren über die Band gestolpert, hatte aber erst jetzt Gelegenheit sie live zu erleben.
Mitreißend trifft es wohl am ehesten. Die Lieder, die sie zum Besten geben, sind tieftönig, kehlkopfbasiert und sie spiegeln die letzten Alben gut wieder. Abgesehen von einem Ausrutscher, bei dem sie warum auch immer, ein Lied von Iron Maiden spielen. Die alten Herren von IM in allen Ehren, aber die Horde war da um neben Heilung den mongolischen Metall zu hören. Damit ging es dann auch gleich weiter. Die insgesamt 50 Minuten gingen leider viel zu schnell vorbei. Zurück lassen sie eine johlende Menge die einen Nachschlag verlangt aber leider leer ausgeht.

20 Minuten brauchten die Roadies, um die Bühne für Heilung umzubauen.
In Hinblick auf den Umfang der Kulisse, die sich gleich bieten würde, ziehe ich auch hier den Hut. 2022 habe ich schon einmal Heilung live gesehen. Damals in der Frankfurter Jahrhunderthalle. Ich wusste also was nun folgen würde. Und ja, der Vorhang fällt und es bietet sich eine liebevoll und bis ins kleinste Detail gestaltete Kulisse. Während Vogelgezwitscher aus den Lautsprechern dringt, schleicht ein Schamane durch die Szene und segnet mit Weihrauch die Instrumente. Ich kann mir das Grinsen nicht verkneifen. Das Konzert ist vorbei, doch das zeremonielle Ritual beginnt.

Die Musiker oder Mitglieder des Kultes (die Grenzen verschwimmen hier etwas) versammeln sich kreisförmig zum Gebet. Schon nach wenigen Worten stimmt das Publikum ein. Noch kein Instrument in der Hand aber das komplette Zelt unter Kontrolle. Mein Grinsen wird größer. Maria Franz gleitet elegant zum Mikrofon während Kai Uwe Faust ein Horn in Stellung bringt. Ein tiefer Stoß aus dem Horn und Gondor ruft die Truppen (äh)  die Zeremonie beginnt.

Ab hier wird es etwas schwierig mit Worten zu beschreiben, was man einfach live erleben muss.
Starke basslastige Rhythmen von mehreren Trommlern, die hohe fein nuancierte Stimme von Maria Franz, Christopher Juul, zwei jungen Background Sängerinnen und das gutturale, kehlkopflastige Singen von Kai Uwe Faust generieren eine Musik, die ihres gleichen sucht. Ich für meinen Teil wüsste keine Band, die ähnliches abliefert. Hier wird der Zuhörer fast hypnotisch dazu gezwungen in den Rhythmus einzusteigen und mitzutanzen. Das allein reicht Heilung aber nicht. Wie in einem liebevoll choreografierten Theaterstück aus Tänzern, Kriegern und Schamanen wird eine Stimmung geschaffen, die jeden in seinen Bann zieht. Details, wohin das Auge blickt. Mit Licht und Nebel werden fast spielerisch ganze Szenen modelliert.

Die ganze Show ist ein Gesamtkunstwerk, das seinesgleichen sucht. Ich werde sicherlich nicht das letzte Mal dem Kult huldigen und dem lautstarken Jubel der anderen Gäste nach zu urteilen, werde ich damit nicht allein dastehen.


Matthias Meyer

Redakteur und Fotograf