Die lange, harte Nacht in Frankfurt mit Fear Factory und nur einem Butcher Baby
Industial-Metal verbindet man sofort mit Fear Factory. Lange Zeit hat die Band um Dino Cazares auf sich warten lassen. Doch am 25.11.2023 war es dann soweit, die Band in der Batschkapp Frankfurt live zu erleben, zusammen mit den Butcher Babies, Ignea und Ghots Of Atlantis.
Die eisig kalten Temperaturen lassen keine langen Stelldicheins vor der Halle unter den Besuchern zu. So zieht es fast alle ins Warme, wo schon relativ früh um 17:30 Uhr Ghots Of Atlantis zu spielen beginnen. Die englische Metal-Bands stimmen in der noch nicht ganz gefüllten Batschkapp auf den Abend ein: schnell, laut und brachial. Aber nicht nur, denn zwischen all den harten Klängen spielt das Quintett melodische – ohne in das verbreitete sanfte Melodic-Metal abzurutschen – Parts, die vor allem von der Gitarre gespielt werden. Der klar singende Gitarrist gibt sich auch als stimmlicher Gegenpart zum growlenden Frontmann. Noch ist großzügig Platz in den ersten Reihen. Man lauscht die halbe Stunde gelassen sowie interessiert, nickt meist im Takt und applaudiert anständig nach jedem Lied. Kurze Umbaupause und es ist Zeit für Ignea. Im Schein der roten Lichter geht es nicht weniger hart weiter. Erstaunlich, welche rauen Töne die zierliche Sängerin Helle Bohdanova sich aus der Seele schreit, um gleich drauf mit lieblich-melodischem Gesang weiter zu machen. Im Fokus steht heute vor allem das neue Album “Dreams of Lands Unseen”, aus dem die Fünf “Dunes”, “Camera Obscura” oder “Nomad’s Luck” präsentieren. Die ukrainische Band ist agil und hat offensichtlich viel Spaß, scherzt auch miteinander auf der Bühne. Die Bandmitglieder suchen den Kontakt zu ihren Fans: Hier posiert der Gitarrist, auf der anderen Seite lächelt der Bassist in die Kameras und auf dem kleinen Podium in der Mitte reckt der Keyboarder die Pommesgabel nach oben, die Fans tuen es ihm gleich. Inzwischen ist die Batschkapp gut voll und Ignea verstehen es, die Leute zu bewegen, nicht nur körperlich. Emotionale Worte an die Landsleute und für das Ende des Krieges bringen besinnliche Momente in die Feierlaune, bevor es wieder lautstark wird. Die Besucher tauen auf, kommen so langsam auf Touren und tanzen oder grölen mit.
Die Butcher Babies stehen an. Aber was ist denn da los? Es ist da nur ein Butcher Baby, nämlich Heidi. Heute fehlt mit Carla leider die zweite Stimme. Diese muss sich nach einer Augenoperation schonen und erholen. Für heute ist das natürlich ein spürbarer Verlust, den Heidi alleine – nicht vollständig aber mit Bravour – kompensiert. “Monster Ball” und “King Pin” lassen schon früh die Menge durchdrehen. “You guys come to f***ing party tonight”, so die Sängerin. Rhetorisch, klar wollen alle hier feiern. Heidi steigt von der Bühne zu den Fans und lässt den Criclepit um sich kreisen. Als sie zurück auf der Bühne erzählt sie von ihren einstigen dunklen Gedanken, nicht mehr in dieser Welt sein zu wollen. Es folgte eine lange Therapie, in deren Folge sie ihre Gedanken und Gefühle im Lied “Last December” verarbeitet. Wieder ist Gefühlsachterbahn in der Batschkapp. Ganz nebenbei schenkt der Gitarrist am Bühnenrand einem kleinen Mädchen sein Plektrum. Schon im nächsten Moment ertönt “Let Me Heat you scream” und die Halle tut lautstark, was ihr aufgetragen wurde. Mit “Magnolia Blvd.” heizen die Butcher Babies ein und lassen so mache Herzen höherschlagen. Respekt an Heidi und gute Besserung an Carla.
Nach drei Vorbands wird der Headliner mit Spannung erwartet. Am Merch gehen Fear Factory-Shirt weg wie warme Semmeln, derweil das Theme des Blockbusters “Terminator 2” aus den Boxen schallt. Die Menge drängt sich in den vorderen Reihen und Fear Factory legen mit “Shock” gnadenlos los. Strobo-Blitze zucken während der neue Sänger Milo Silvestro bei “Recharger” aus dem blauen Nebel die Hand ausstreckt und die Fans abklatscht. Gitarrist und Kopf der Band Dino, als einzig verbleibendes Gründungsmitglied, wechselt mit dem Bassisten unermüdlich die Seiten, sind ansonsten mit Headbangen und mit ihren Saiten beschäftigt. Lange musste man hierzulande auf die Band, die sich 2002 neu gründete, warten. Umso euphorischer celebrieren die zahlreichen Fans Lieder wie “Powershifter”, “Freedom or Fire” oder “Desent”, auch wenn gerade zu Beginn nicht jeder Ton von Milo getroffen wird. Der Klargesang klingt stellenweise choral leiernd, gewollt oder ungewollt? Begleitet vom donnernden Doublebass kreisen an vielen Stellen Haaren und Luftgitarren finden beispielsweise bei “Archetype” ihren Einsatz. Zu “Martyr” kommt Heidi zurück ins Rampenlicht, um zur allgemeinen Begeisterung mit den Industrial-Metal-Ikonen zu performen. Inzwischen ist man schon vier Stunden hier, aber von der anfänglichen Zurückhaltung oder einer eventuellen Müdigkeit ist keine Spur. Fear Factory präsentiert einen Querschnitt ihreres Schaffens, dabei geht es schließlich zurück ins Jahr 1995 und zu “Demanufacture”, bevor “Ressurrection” die Leute nach einem langen Konzertabend gut gelaunt in die klirrende Nacht entlässt.