WIZO und ZSK feiern Tourauftakt in Saarbrücken
Unstete Zeiten sind das. Bauern gehen auf die Straße, um für ihre Rechte zu kämpfen. Hunderttausende demonstrieren gegen Rechte und gegen undemokratische, rechtsextreme Parteien. Dabei hat eines Bestand: Ein Konzert von WIZO. Endlich neues Album, endlich, Tour wird wieder gut. Die Tickets für die Tour gehen weg wie geschnitten Brot, und mit den Berliner Vorzeigeantifaschisten ZSK im Gepäck schaffen die Antifa-Weltenbummler von WIZO wieder sichere Punkhäfen in vielen Städten Deutschlands (38 Dates im deutschsprachigen Raum), um gegen Faschisten, Homophobie, Sexismus und Rassismus zu wettern und für eine bunte und demokratische Gesellschaft den Weg zu ebnen. Wir haben uns gleich beim Tourauftakt am 12.01.24 in der ausverkauften Garage in Saarbrücken eingefunden.
Schon zu Beginn herrscht Staralarm: Sänger Axel Kurth kommt für ein Meet and Greet vor die Absperrungen der Bühne und zieht sogleich die Aufmerksamkeit auf sich, Selfiereigen inklusive. Die Stimmung ist gut, denn die Garage und bereits viele andere Venues sind ausverkauft. Außerdem ist man sich im Publikum trotz individueller Vielfältigkeit einig: Ganz klar gegen Nazis!
Um Punk(t) acht (aka nach dem dritten Bier) erlischt schließlich die Bühnenbeleuchtung und geht es los mit…den Jungs von WIZO: Freundlich und aufgeschlossen begrüßen die drei WIZO Könige die begeisterten Fans und kündigen voll des Lobes ihre Vorband an. Man sei Brüder im Geiste und der Headliner stünde 100% hinter der Wahl des Aufheizers. Und ZSK liefern ab. Gefälliger Punkrock mal schnell und energetisch, stets melodisch mit Ska und Popeinflüssen. Dabei immer in Interaktion mit dem Publikum. Es wird gesprungen, sich ins Publikum gelehnt, zum kollektiven Kniefall aufgefordert und Parolen gegrölt und dirigiert. Eine linke Welle rollt durch den Saal. Da herrscht einmal in der Gesellschaft Einigkeit, auch in der Wahl des gemeinsamen Feindes, die Faschos und die AFD, doch trotz vieler politischer und gesellschaftskritischer Botschaften schafft sich die Musik immer einen Raum und drängt sich in den Vordergrund und das ist gut so, damit fürs Abgehen trotz stetem Heraufbeschwören düsterer Gesellschaftsentwicklungen eine positive Grundstimmung herrscht. Man gibt sich kämpferisch („Alle meine Freunde hassen die AFD“) und bisweilen provozierend und das passt tatsächlich 100% zum Main Act und beide Bands werden nicht müde die gegenseitige Wertschätzung zu betonen und die gemeinsame Message zu verkünden: Alle sind willkommen, außer rechtes und rechtsextreme Gesinnung, daher bleibt das AFD-Bashing programmatisch.
Die Vorbereitungen für die Hauptband laufen auf Hochtouren und die bunt gestaltete Bühne wird in violettes Licht getaucht. Mit dem Satz „Ich werde heute nicht zur Arbeit gehen“ spielt Sänger Axel Solo auf und während sich die Band bei ordentlich Klamauk und Lala Gesängen heimlich auf die Bühne schleicht, galoppiert das Trio souverän durch den ersten Song der Tour und beweist mit durchchoreografiertem Nonsens, dass man sich gut vorbereitet auf die Straße begeben hat. Eine Nase für gefällige Melodien und Gassenhauer, angetrieben von Punkschlagzeug und verzerrten Gitarren bestimmt das Programm. Stilistisch ist es für das Trio da aber nicht das Ende, denn auf den sechs Studioalben, die seit der Gründung 1986 entstanden sind, bedienen die Sindelfinger neben klassischem Fun-Punk/Punkrock Sound auch diverse andere Musikrichtungen, allesamt eingängig und hitverdächtig und stets mit Wiedererkennungswert, nicht zuletzt durch die einzigartige Stimme von Sänger Axel Kurth, der als einziger von der Originalbesetzung noch übrig ist. Und dieser ist sich seiner Rolle vollends bewusst:
Neben souveränem Gitarrenspiel werden neue und bekannte Wortspiele oder anekdotischer Nonsens mit skurrilen Wendungen („Seegurke!“) und viel Selbstironie in die Songs und Ansagen gepackt. Auch beim WIZO gehört die ständige Interaktion mit den Fans dazu und macht das Paket komplett. Bassist Ralf Dietel legt gefühlt Meilen zurück. Ständig von links nach rechts auf der Bühne unterwegs schwingt, moscht, schunkelt und hüpft dieser und wirft seine Marsupilami Dreads in die Luft, ohne seine Rolle als Bassist, Anheizer und Mitsänger zu vernachlässigen.
Die Setlist bietet für jeden etwas: Die Band zementierte ihren Erfolg mit dem Album Uarghhh und so wundert es nicht, dass es sieben Songs in das Set geschafft haben. Aber auch neue Songs finden sich an diesem Abend wieder auf der Bühne und ertönen aus den Kehlen der Fans, die sich in jeder Schaffensphase der Band auszukennen scheinen, was Axel melancholisch davon schwelgen lässt, wie gern er immer noch die alten Lieder für die Fans spielt, wenn sie denn so aufgenommen werden. Passend zum neuen Song „Schönheit des Verfalls“ preist Axel die vielen anwesenden Generationen an, und adressiert an die Eltern augenzwinkernd: “Schön, dass ihr eure Kackbratzen mitgebracht habt.”
Und zwischendurch eine Ansprache gleich einer Büttenrede, der Pippi Langstrumpf Song, eine Hommage an gelebte Anarchie und stets antifaschistische Parolen und Bekenntnisse in teils radikaleren, teils gemäßigteren Tönen. Mit schwäbischem Akzent und mithilfe der treuen Fanschar zelebriert man neben den Parolen nicht nur die Punkvergangenheit sondern auch das Alter und den gesellschaftlichen Niedergang und spottet gegen die politische Elite. Das Album „Nichts wird wieder gut“ findet dazu durchaus kritische Worte, nicht nur im ironischen Sinne. Nach 26 Songs ist die Darbietung zu Ende und mit „Die letzte Sau“ wird ebendiese aus der Venue getrieben bzw. gebeten (Ein herzliches Dankeschön an die stets freundliche Crew der Garage Saarbrücken). Die Ankündigung „Tour wird wieder gut“ war also kein leeres Versprechen!
Photos: Andreas Schieler