L.A. Witch im Schlachthof Wiesbaden – düster, distanziert, kompromisslos

Wiesbaden, 3. Oktober – Deutschland feiert die Einheit, L.A. Witch den lo-fi Blues und düsteren Garage Rock. Der Abend beginnt mit der Band Snuckouts aus Mainz, die mit ihrem Pop-Punk, der irgendwo zwischen kalifornischem Skatepark und deutschem Kellerclub pendelt. richtig einheizen. Schnell, laut, sympathisch – die perfekte Aufwärmrunde, bevor es ernst wird.
Dann Dunkelheit. Vier Frauen betreten Bühne des Kesselhauses. Kein Intro, keine Begrüßung. L.A. Witch stehen da wie Gestalten aus einem Lynch-Film mit einem Hauch Glitzer hier, eine Spitze da.
Der erste Song „Dark Horse“ vom Album „Play With Fire“. Ein düsterer Groove, der langsam Fahrt aufnimmt, schwer wie Asphalt unter der kalifornischen Sonne. Nach einem knappen: „Hi, we are L.A. Witch from California and we are happy to be here“ geht’s weiter – kein Smalltalk, keine Show. Alles wirkt kontrolliert, runtergefahren. Wie happy sind sie, frage ich mich.
Die Setlist taucht tief ins aktuelle Album „DOGGOD“ ein: „Kiss Me Deep“, „Lost at Sea“, „Icicle“ – Songs, die sich wie Nebel um die Köpfe legen. Der Sound ist fuzzy, verhallt, hypnotisch. Sängerin und Gitarristin Sade Sanchez steht im Mittelpunkt, umgeben von Pedalen, aus denen sie Hall und Fuzz zieht. Ihre Stimme bleibt stoisch, irgendwo zwischen Rauch und Reverb, ohne Höhen, ohne Tiefen – aber mit einer ungreifbaren Spannung.
Ellie English am Schlagzeug ist treibend, präzise, niemals aufdringlich. Irita Pai am Bass bewegt sich kaum auf der Bühne, jeder Anschlag sitzt, jede Geste minimal. Immer wieder fliegen Blicke zu Sanchez, die den Ablauf vorgibt.
Kein Scherzen, kein Übermut auf der Bühne – alles ist eine inszenierte Distanziertheit mit gewollter Unperfektheit. Sie fahren musikalisch über die unausgebauten Straßen einer heißen, trockenen Gegend. Diese drei Frauen spielen, als würden sie einen Film vertonen, der irgendwo zwischen Garage, Punk, Blues und dunklem Folk angesiedelt ist.
Dann passiert es doch: Beim Zungenbrecher „Tag der Deutschen Einheit“ können sie sich ein Lächeln nicht verkneifen. Kurz bricht das Eis, das Publikum lacht. Der Schlachthof tanzt und jubelt– auch wenn kaum jemand die Texte versteht. Aber das muss man auch nicht. L.A. Witch funktionieren auf einer anderen Ebene – atmosphärisch und hypnotisch.
Und wie immer: Der Schlachthof Wiesbaden liefert den perfekten Rahmen.
Eine Venue die rockt, ohne Stress. Super freundliche Mitarbeiter, ein Laden, in dem man sich willkommen fühlt – egal, ob man vorne am Pit steht oder hinten an der Bar. Es ist dieser besondere Mix aus Professionalität und Herzblut, der den Schlachthof zu einem der angenehmsten Konzertorte überhaupt macht.
L.A. Witch sind keine Band für Smalltalk oder Zugaben. Sie sind ein Ritual aus Fuzz, Schatten und Haltung. Ihre Fanbase im Schlachthof feierte sie für das, was sie sind: Kalifornierinnen, die die Bühne in einen dunklen, psychedelischen Traum verwandeln – lässig, reduziert, cool.
Fotos von Sebastian Wienert